Von der Grubenwehr zum Luftschutzeinsatz
Allgemein
“Das Grubenrettungswesen umfaßt alle Maßnahmen und Einrichtungen zur Rettung von Menschen und zur Erhaltung von Sachwerten nach Explosionen, bei Grubenbränden und anderen Ereignissen im Bergbau unter Tage, bei denen giftige Gase und matte Wetter auftreten.
Die Grubenbaue können nach Explosionen, großen Bränden oder Gasausbrüchen infolge der zwangsläufigen Wetterführung auf weite Erstreckung hin von giftigen Gasen, Rauch oder sauerstoffarmen Wettern durchzogen sein, die auf diese Weise einen großen Personenkreis gefährden.”
- Bei Schlagwetter- und Kohlenstaubexplosionen sind Verbrennungen oder Verletzungen, weniger häufig. Kohlenoxydhaltige Schwaden und Brandgase führen meistens zum Tod
- Das Arbeiten in giftigen oder sauerstoffarmen Wettern ist nur unter Einsatz von Gasschutzgeräten (Rettungsgeräte) möglich.
- Von Anfang an waren die freiwilligen Grubenwehren die Grundlage des Grubenrettungswesens.
- Verunglückten Kameraden zu helfen, ist die geistige Grundlage des Grubenrettungswesens.
Die ersten bergbaulichen Gasschutzgeräte waren Hilfsmittel zur Rettung verunglückter Bergleute und sollte ihnen Selbstrettung ermöglichen. Deswegen wurde dies im Bergbau als Grubenrettungswesen bezeichnet, während es sich über Tage (z.B. in Kokereien) um Gasschutz handelt.
Geschichtlicher Abriß
- 1799 Anregungen für ein bergmännisches Rettungswesen von Friedrich Alexander von Humboldt als preußischer Oberbergmeister in der Markgrafschaft Bayreuth / Fichtelgebirge. Er baute u.a. ein Rettungsgerät bestehend aus einer Maske, mit Atemventilen versehenen Respirationsrohr und einem Luftschlauch, der entweder bis in frische Wetter geführt oder an einen Luftbeutel angeschlossen werden konnte
- 1853 Vorschlag des deutschen Physiologen Professor Schwann, eine Unabhängigkeit von äußerer Luftzufuhr mit Kreislaufgeräten zu erzielen.
- 1870 wurde ein französisches Schlauch- und Behältergerät von Rouqayrol-Denayrouze entwickelt. Auf der Königin-Luise-Grube in Oberschlesien konnte mit solchen Geräten ein Grubenbrand abgedämmt werden. Im deutschen Bergbau setzte man sich an einfachere Schlauchgeräte Bauart L. van Bremen, König u. a. mit Luftversorgung durch Blasebalg oder Luftpumpe.
- 1873 wurde in der Westfälischen Berggewerkschaftskasse bei der Bergschule Bochum ein Fachmann angestellt, der angehende Grubenbeamte im Gebrauch von Atmungsgeräten zu unterrichten hatte und die Geräte an die Zechen verlieh.
- 1876 wurde ein im Bergbau erforderliches, allgemein brauchbares Gasschutzgerät von Schulz aus Aschaffenburg auf Ausstellungen gezeigt .
- 1883 - 1885 fanden im deutschen Bergbau Versuche mit einem von dem englischen Marineingenieur Fleuss 1879 zum ersten Male im britischen Bergbau erprobten Kreislaufgerät statt und führten zu Verbesserungen.
- 1896 der Mediziner Professor Gärtner und der Ingenieur Benda entwickelten einen Selbstretter, den „Pneumatophor" Das Gerät bestand aus einem Atemschlauch mit Mundstück und einem Atembeutel, der eine 0,6-l- Sauerstoffflasche und Natronlauge enthielt. Der Generaldirektor der Hibernia, Bergrat Behrens, führte das Gerät auf der Zeche Shamrock ein.
- 1897 Der Direktor der Hibernia, Dr. G. A. Meyer, befaßte sich mit der Erprobung und Weiterentwicklung zu einem brauchbaren Arbeitsgerät Er hatte nach Aufstellung einer Grubenwehr auch durch Vorträge im Ausland gewirkt.
- 1900 führte die Bergschule den Unterricht über Rettungsgeräte ein
- 1903 Neben dem Direktor der Hibernia, Dr. G. A. Meyer entwickelte der Mitbegründer des Drägerwerkes, Bernhard Dräger, eigene Geräte mit einer Alkalipatrone. Durch Versuche unter Tage und im Labor zeigte sich, daß die Geräte bis dahin den physiologischen Erfordernissen nicht genügend angepaßt waren. Hielt man bis dahin eine Luftumlaufmenge von 20 l/min für ausreichend und einen CO2- Gehalt von 3% für zulässig, Dräger forderte eine Luftmenge von 50—60 l/min und die Bindung von CO2 durch die Alkalipatrone. Er hielt höchstens 0,3% CO2 für zulässig. Meyer hatte bereits eine Sauerstoffdosierung von 2 l/min verlangt, die unzureichende CO2 - Bindung bemängelt
- 1904 fanden in der Bergschule die ersten Ausbildungslehrgänge für Führer und Gerätewarte statt.
- 1906 gab es bereits 2162 Grubenwehrmitglieder. 120 Betriebe besaßen 421 Kreislaufgeräte, meist Shamrock-, Dräger- und Westfalia-Geräte. 18 Betriebe hatten ausgebildete Rettungsmannschaften
- 1906 stellte die Gelsenkirchener Bergwerks-AG eine Berufsfeuerwehr und eine Berufsgrubenwehr auf
- 1906 Einsatz deutscher Grubenwehrmänner der Zeche Shamrock und der Berufswehr Rheinelbe beim schweren Grubenunglück von Courrieres Der Kaiser ließ sich die Führer und Mannschaften vorstellen und überreichte ihnen Auszeichnungen. Die französische Regierung verlieh ebenfalls Auszeichnungen Dieses Unglück gab dem Grubenrettungswesen weltweit Auftrieb bis hin zum internationalen Erfahrungsaustausch im Zeichen der kameradschaftlichen Verbundenheit der Bergleute
- 1907 kamen nun neue Geräte verschiedener Firmen heraus
- 1908 1. Internationalen Kongreß für Rettungswesen und Erste Hilfe in Frankfurt a. M. mit dem Inhalt daß Rettungsmannschaften im Bergbau außer zur Rettung von Menschenleben auch Sachwerte von großem Wert erhalten sollen. Ein Pionier des Grubenrettungswesens Direktor Dr. G. A. Meyer, schlug vor, für die im Bergbau vorhandenen Rettungsmannschaften den Namen „Grubenwehr" einzuführen.
- 1908 stellte die Zeche Rheinpreußen eine Berufsfeuerwehr und eine Berufsgrubenwehr auf
- 1909 , genauer am 31. März Im geschäftsführenden Ausschuß des Zechenverbandes schlug Generaldirektor Jacob von der Gewerkschaft Deutscher Kaiser die Bildung einer Rettungstruppe vor, die vom Bergbauverein oder von der Berggewerkschaftskasse unterhalten werden und allen Zechen zur Verfügung stehen sollte. Der Vorschlag fand allgemeine Zustimmung.
- 1909 es war der 4. Oktober, tagte die vom Bergbauverein eingesetzte „Kommission zur Regelung des Rettungswesens" unter Vorsitz von Bergrat Lüthgen, dem Generaldirektor der Bergwerksgesellschaft Dahlbusch.
- 1910 erließ das Oberbergamt in Dortmund eine Bergpolizeiverordnung, die die Bereithaltung von „Atmungsapparaten" auf jeder selbständigen Schachtanlage forderte. Die Bergpolizeiverordnung trat am 1. Januar 1911 in Kraft
- 1910 der 30. Juli war der Tag an dem den Zechen die Gründung der Hauptstelle mitgeteilt wurde. Gemäß Vorstandsbeschluß nahm sie ihre Tätigkeit am 1. Oktober 1910 auf. Aus der Kommission, die die zentrale Regelung des Rettungswesens und die Gründung der Hauptstelle vorbereitet hatte, wurde der Fachausschuß für das Grubenrettungswesen des Bergbauvereins.
- 1914/18 brachte der Weltkrieg mit dem Gaskrieg die Entwicklung von Gasschutzgeräten wieder in den Fluß.
- 1921 Gründung des „Ausschusses für das Grubenrettungswesen in Preußen". Er erstrebte eine Festlegung der an Gasschutzgeräte zu stellenden Anforderungen, für die die Hauptstelle Essen neben der Hauptstelle in Beuthen die Unterlagen lieferte. Als Ergebnis dieser Arbeiten wurden die „Richtlinien des Ausschusses für das Grubenrettungswesen in Preußen für die Zulassung von Gasschutzgeräten im Bergbau vom 31. Oktober 1925" herausgegeben.
- Bezug des ersten Dienstgebäudes
- 1922 An die Hauptstelle des Grubenrettungswesens waren sämtliche 245 Schachtanlagen des Reviers angeschlossen. 151 Betriebe besaßen freitragbare Geräte, 75 Betriebe waren mit Schlauchgeräten ausgerüstet, und nur 19 kleine Betriebe waren noch ohne Geräte.
- 1925 Für den Bergbau wurden die Formen der Gasschutzgeräte angepaßt und ihr Einbau in allseitig geschlossene Gehäuse aus Leichtmetall sicherte sie gegen Beschädigungen.
- 1925 Die gute Organisation zeigte sich erstmals bei den schweren Explosionen auf den Zechen Minister Stein und Dorstfeld, bei denen die Grubenwehren der benachbarten Zechen ohne Aufforderung sofort zu Hilfe kamen. Auf Minister Stein fuhren damals die ersten beiden Trupps der werkseigenen Grubenwehr bereits nach einer halben Stunde an; nach einer Stunde waren Grubenwehren von Nachbaranlagen und Berufswehren zur Stelle. Insgesamt standen 364 Grubenwehrmänner mit 168 Geräten im Einsatz. Die Arbeiten dauerten 29 Stunden. Trotz der schweren Explosionsauswirkungen und der Nachschwaden konnten Bergleute lebend gerettet werden.
Auf der Zeche Dorstfeld waren nach einer Explosion des Sprengstofflagers mit anschließender Kohlenstaubexplosion 245 Grubenwehrmänner mit 116 Geräten und 19 Wiederbelebungsgeräten zur Stelle. Da die Wetterführung verhältnismäßig schnell wiederhergestellt werden konnte, genügte der Einsatz von 6 Trupps im Gasschutzgerät.
- 1926 waren die meisten Betriebe mit neuen Gasschutzgeräten ausgerüstet
- 1928 Einführung praxisgerechter Einstundengeräte
- 1930 an verzeichnet die Statistik keine Injektorgeräte mehr
- 1930 Außerhalb des Reviers leisteten unter Führung der Hauptstelle die Berufswehr Rheinelbe Hilfe bei der schweren Grubenexplosion auf der Grube Anna 2 und im Aachener Revier und die Berufswehr Prosper bei einem Grubenbrand auf der Bleierzgrube Glanzenberg im Siegerland.
- 1931 erschienen Richtlinien für Einstundengeräte
- 1931 Erweiterung des Hauptrettungsplanes durch Einbeziehung von Ärzten, Sanitätskolonnen und gemeinsamer Übungen
- 1934 wurde vom Preußischen Minister für Wirtschaft und Arbeit ein staatliches Grubenwehrerinnerungszeichen geschaffen und als besondere Auszeichnung oder nach 15-jähriger Zugehörigkeit zur Grubenwehr verliehen wurde. Ersetzt wurde dies 1936 durch das Reichsgrubenwehrehrenzeichen
- 1934 Anläßlich eines schweren Grubenunglückes auf der Nelson-Grube in Osseg (Tschechei) bot die Hauptstelle ihre Hilfe an und entsandte einen Vertreter.
- 1935 war nach einem schweren Einsturzunglück beim Bau der Untergrundbahn in Berlin eine aus Bergleuten und Grubenwehrmännern zusammengestellte Mannschaft tätig.
- 1936 wurden die Bestimmungen für das Grubenrettungswesen bearbeitet und ein Handbuch für die Ausbildung der Grubenwehren herausgegeben.
- 1939 waren 161 Schachtanlagen mit 933 Führern und 2768 Grubenwehrmännern an die Hauptstelle angeschlossen.
- 1939 Eine Schlagwetterexplosion mit anschließendem Grubenbrand auf der Bochumer Zeche Hannover veranlaßte den Fachausschuß für das Grubenrettungswesen, Maßnahmen zur Brandbekämpfung, wie Aufstellung eines Brandschutzplanes und Verlegung ausreichender Wasserleitungen auf allen Sohlen, zu verlangen sowie die Betriebe zur Meldung jedes Brandes an die Hauptstelle aufzufordern. Die Erkenntnisse flossen in die Brandbekämpfungsrichtlinien der Bergbehörde ein. Weiter werden Löscheinrichtungen, Abdämmung von Bränden, Aufstellung einer Löschmannschaft und die Bestellung eines Brandsteigers behandelt.
- 1940 Die Technische Nothilfe wurde hinsichtlich ihrer Ausrüstungs- und Organisationspläne beraten.
- 1940 Im Werkluftschutz der Betriebe und anderer Organisationen wurde diese mit Unterrichtsmaterial und Vorträgen über Gasschutz unterstützt und beraten
- 1941 Die Hauptstelle beginnt mit Lehrgängen für Brandsteiger zur Verhütung von Grubenbränden, Einbau und Überwachung von Wasserleitungen und Feuerlöscheinrichtungen und -geräten. Aufgabe des Brandsteigers ist es, Feuerlöschgeräte und -einrichtungen zu überprüfen, Brandschutzmaßnahmen zu überwachen und Löschmannschaften aufzustellen und auszubilden.
- 1943 Dipl.-Ing. Bredenbruch, seit 1936 bei der Hauptstelle tätig, übernahm die Führung der 250 Grubenwehrmänner starken Bergungsabteilung, die nach Fliegerangriffen zur Rettung Verschütteter und daneben zum Bau von Luftschutzstollen eingesetzt wurde. Bis zum Kriegsschluß hat die Abteilung 3000 Menschen lebend aus durch Bomben zerstörten Häusern und Luftschutzstollen und 30000 Tote geborgen.
- 1943 Die Verschärfung des Luftkrieges beeinträchtigte zunehmend das Grubenrettungswesen und die Tätigkeit der Hauptstelle.
- 1943 wurde die Ausrüstung der Grubenwehren luftschutzsicher unter Tage gelagert. Das Bereitschaftslager in der Nähe der Hauptstelle wurde schon im März von Brandbomben getroffen; Gebäude und Material wurden vollständig vernichtet. Nur ein Teil des Materials konnte wieder ersetzt und in einem neuen Lager untergebracht werden.
- 1944 der erste Leiter der Hauptstelle seit ihrer Gründung, Bergassessor a. D. Dr.-Ing. Forstmann, trat in den Ruhestand. Sein Nachfolger wurde sein bisheriger Stellvertreter, C. von Hoff; zu dessen Stellvertreter und als Technischer Leiter wurde Dipl.-Ing. Bredenbruch bestimmt
- 1944 mußten die wichtigsten Geräte, die Laboratoriumseinrichtungen, das Unterrichtsmaterial und die Akten in die Ausweichstelle des Bergbauvereins in Essen-Heisingen, danach in eine Baracke auf dem Gelände der stillgelegten Zeche Johannessegen in Bredenscheid bei Hattingen verlagert werden.
- 1944 / 1945 Auf einer Reihe von Anlagen waren auch Grubenrettungsstellen und Gasschutzgeräte völlig oder zum großen Teil zerstört. Die unter Tage oder in Luftschutzräumen oft unter schlechten Bedingungen aufbewahrten Geräte mußten gründlich überholt werden. Ersatzteile und Alkalipatronen waren meistens völlig aufgebraucht.
- 1945 Die Militärregierung übernahm die Verwaltung der Bergwerke und den Verkauf der Erzeugnisse. Die zentrale Verwaltung wurde der North German Coal Control Group (NGCC) mit Sitz auf Villa Hügel in Essen übertragen. Das Ruhrgebiet wurde in 6 Distrikte aufgeteilt, die einzelnen Distriktoffizieren unterstanden. Der Bergbauverein wurde aufgelöst, ein Teil seiner Arbeiten wurde von der Versorgungszentrale des deutschen Kohlenbergbaus weitergeführt, der auch die Hauptstelle angeschlossen war. Im November
- 1947 wurde die Produktionskontrolle und Verteilung der neugebildeten Deutschen Kohlenbergbau- Leitung (DKBL) übertragen. Die gleichzeitig gebildete UK/US Coal Control Group wurde nach Beitritt französischer Vertreter in die Combined Coal Control Group umbenannt. Sie fungierte als Treuhänder für das gesamte beschlagnahmte Bergwerksvermögen und hatte die Finanzhoheit.
- 1949 Weitergehende Befugnisse erhielt der Ruhrbergbau erst wieder auf Grund des Internationalen Ruhrstatuts mit der Errichtung der Internationalen Ruhrbehörde in Düsseldorf.
- 1952 Erst mit dem Inkrafttreten des Montan-Union-Vertrages im Juli erlangte der Ruhrbergbau wieder seine volle Bewegungsfreiheit . Die Deutsche Kohlenbergbau - Leitung trat in Liquidation, und die Gesellschaften wurden wieder selbständig. Es wurde der Steinkohlenbergbauverein in Essen gegründet, dem auch die Hauptstelle angeschlossen wurde.
Die ersten Aufgaben der Hauptstelle
- Überwachung der Geräte und Einrichtungen für das Grubenrettungswesen sowie der Grubenwehren, Ausbildung der Führer und Gerätewarte,
- Aufstellung eines einheitlichen Rettungsplanes für den Bezirk (Hauptrettungsplan),
- Einleitung der Hilfeleistung benachbarter Zechen im Falle eines Grubenunglücks,
- Untersuchung, Prüfung und Begutachtung neuer Geräte und anderer Einrichtungen des Grubenrettungswesens.
Die Mitglieder wurden verpflichtet
- Bei Grubenunglücken sofort die Hauptstelle benachrichtigen
- im Falle eines Grubenunglücks nach Maßgabe des Hauptrettungsplanes oder auf Anfordern der Hauptstelle Hilfe zu leisten,
- die Kosten der von ihnen angeforderten oder von der Hauptstelle zugewiesenen Hilfeleistung zu erstatten,
- den Beamten der Hauptstelle jederzeit die Prüfung der Einrichtungen für das Grubenrettungswesen sowie die Beaufsichtigung der Übungen und die Beteiligung im Ernstfall zu gestatten,
- die von der Hauptstelle ausgearbeiteten „Bestimmungen für das Grubenrettungswesen" auf ihren Gruben durchzuführen und der Hauptstelle die von ihr erbetenen Mitteilungen zu machen.
Dienstgebäude
1921 wurde das Haus Rellinghauser Straße 118 in Essen bezogen. In den oberen Stockwerken wohnten die Angestellten der Hauptstelle. Das Erdgeschoß enthielt Büro- und Lagerräume für Geräte und Ersatzteile sowie einen Vortragsraum. In einem Hintergebäude war die 300 m lange, hufeisenförmige Übungsstrecke mit einem Beobachtungsraum in der Mitte untergebracht. Unterteilt war der Raum in vier Sohlen, deren oberste nur kriechend, die dritte nur in gebückter Stellung befahren werden konnte. Aus der Übungsstrecke führten Nottüren zu den Beobachtungslaufgängen. In der Übungsstrecke befanden sich mehrere Fahrschächte, ein Blindschacht, ein Haspelberg und ein Arbeitsplatz zum Errichten von Dämmen, dazu eine Signalanlage und eine Lüftungseinrichtung. Die Befahrung der ganzen Übungsstrecke dauerte 20—30 Minuten. Die Größe dieses Übungsraumes, die bei Übungsstrecken sonst nicht zu finden war, ermöglichte dem Gerätträger eine ausreichende Beurteilung der Leistungsfähigkeit seines Gerätes und gab der Aufsicht einen Maßstab für die Leistung der übenden Mannschaften. Das Übungshaus und seine Einrichtungen wurden Muster für Übungsstrecken vieler Betriebe. Beweis für die Brauchbarkeit und die zweckgerechte Einrichtung des Übungshauses war die Tatsache, daß es auch von der Bergschule Essen sowie von 13 Schachtanlagen der näheren Umgebung für ihre Übungen benutzt wurde, wobei die Angestellten der Hauptstelle die Übungen überwachten.
Im neuen Heim verstärkte die Hauptstelle nunmehr die Untersuchungen der Gasschutzgeräte und befaßte sich besonders auch mit der Entwicklung und Beschaffung geeigneter Prüfeinrichtungen für diese Geräte.
Versuchsreihen
- Strömungs- und Widerstandsverhältnisse in den Geräten sowie die Arbeitsweise und der Widerstand der Alkalipatrone
- Untersuchungen über Widerstand und Kohlensäureaufnahme der Alkalipatrone und vergleichende Widerstandsmessungen
- Versuche Atemwiderstand der Kreislaufgeräte
- Prüfungen von Filtergeräten
- Gasschutzgeräte
Die mit dem Aufbau der Hauptstelle eingeführte weitgehende Dezentralisation des Grubenrettungswesens in der Form, daß jede selbständige Schachtanlage über eine freiwillige Grubenwehr mit einer Grubenrettungsstelle verfügte, hatte sich bewährt. Angesichts der Ausdehnung des Reviers und der großen Zahl der Betriebe von etwa fünfzig verschiedenen Gesellschaften war, von der Aufstellung einer zentralen Berufswehr wie auch von der Gründung mehrerer Hauptrettungsstellen abgesehen worden. Auch wurden der Hauptstelle und den Grubenwehren keine anderen Aufgaben, wie etwa eine Verbindung ihrer Arbeit mit dem Sanitätsdienst oder dem Feuerschutz über Tage, zugeteilt. Diese Organisation hat sich als richtig und zweckmäßig erwiesen. Für den schnellen Einsatz im Notfalle genügten die von wenigen Gesellschaften aufgestellten Berufswehren. Hauptaufgabe der Grubenwehr geborgene Verunglückte so schnell wie möglich aus dem Gefahrenbereich heraus in die Bereitschaftsstelle zu bringen, wo Sanitäter oder Ärzte Hilfe leisten. durchgeführt wurden. Hauptrettungspläne dieser Art sind nach dem Vorbild des Ruhrgebiets 1936 in allen anderen Hauptrettungsbezirken des deutschen Bergbaus aufgestellt worden. Die Hauptstelle beschränkte sich weiterhin auf die Aufsicht über das gesamte Grubenrettungswesen des Reviers; sie konnte trotz des weiten Bereichs und des großen Aufgabenkreises mit einem Mindestaufwand an Kräften gemeistert werden. Die Praxis erwies es als zweckmäßig, daß die einzelnen Gruben selbständig Arbeiten kleineren Umfangs im Gasschutzgerät erledigen und dabei ihre eigenen Erfahrungen machen, die dann von der Hauptstelle gesammelt und der Allgemeinheit vermittelt werden. Lediglich bei größeren Unglücken haben Nachbarzechen Hilfe zu leisten. Dadurch standen bei schweren Unglücken Grubenwehrmannschaften und Geräte in ausreichender Zahl zur Verfügung. Nicht nur im Ruhrbezirk hatte sich die Hauptstelle mit ihrer Tätigkeit zunehmend durchgesetzt und Anerkennung gefunden, auch außerhalb ihres Bezirks wurde sie immer mehr bekannt. Sie wurde deshalb verschiedentlich in Ernstfällen zur Beratung hinzugezogen und auch bei der Gründung oder beim Ausbau ähnlicher Einrichtungen in anderen Bergbaurevieren wie auch in anderen Industriezweigen gehört. Auf Wunsch veranstaltete die Hauptstelle Gasschutzlehrgänge für Leiter und Dezernenten öffentlicher und industrieller Feuerwehren, für Beamte der Polizei, für Angehörige von Berufsfeuerwehren sowie für Werkluftschutzleiter. Sie stellte ihre Räume für Ausbildungslehrgänge im Werkluftschutz des Steinkohlenbergbaus zur Verfügung. Zahlreiche beamtete Ärzte, Studenten und Bergschüler wurden in das Wesen des Gasschutzes eingeführt. Sachverständige Besucher aus verschiedenen Ländern unterrichteten sich über Einrichtungen und Arbeiten der Hauptstelle und über die Organisation des Grubenrettungswesens. Die leitenden Personen der Hauptstelle nahmen an den Internationalen Kongressen für Rettungswesen und Erste Hilfe in Amsterdam, Kopenhagen und Zürich teil und hielten dort Vorträge über ihr Fachgebiet. Schließlich wirkte die Hauptstelle bei der Herstellung von Lehrfilmen und bei der Gestaltung verschiedener Ausstellungen auf dem Gebiete der Unfallverhütung mit. Die Ausbildungstätigkeit und die Überwachung der Betriebe konnten in den ersten Kriegsjahren noch in der üblichen Weise weitergeführt werden. Die Forschungs- und Prüfarbeiten im Laboratorium wurden zunächst nach Kriegsausbruch eingestellt und erst in den folgenden Jahren in zunächst beschränktem Umfange wiederaufgenommen. In den ersten Kriegsjahren arbeitete die Hauptstelle an der Verbesserung der Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Grubenbränden. Dazu dienten Versuche zum Abdämmen von Bränden mit Glaswolle und die Erprobung einer Pumpe zum Verschlammen von Bränden. Das Bereitschaftslager wurde ergänzt und konnte den Betrieben bei der damals schwierigen Beschaffung von Material helfen. Die Entwicklungsarbeiten an den Bergbaulöschgeräten wurden abgeschlossen. Richtlinien für Bau und Zulassung dieser Geräte wurden entworfen und der Bergbehörde eingereicht. Damals ist für die Geräte die Prüfung auf Löschfähigkeit durch die Versuchsgrube und auf technische Verwendbarkeit durch die Hauptstelle vorgeschrieben worden.
Die praktische Grubenrettungstätigkeit während des Krieges bestand vor allem in Einsätzen bei einer erhöhten Zahl von Grubenbränden und auch nach Explosionen. Bandstreckenbrände nahmen weiter zu und forderten viele Opfer. 1940 -1945 wurden der Hauptstelle 23 Bandstreckenbrände gemeldet. Schwere Explosionen mit einer größeren Zahl von Verunglückten ereigneten sich auf den Zechen Hansa, König Ludwig, Zollverein, Bruchstraße, Fritz Heinrich, Dahlbusch, Sachsen und Grimberg; drei davon waren durch Grubenbrände verursacht. Auf Grimberg wurde der Lüfter durch Bomben beschädigt. Infolge unzulänglicher Bewetterung konnten sich Schlagwetter ansammeln, die vermutlich durch verbotswidriges Rauchen eines ausländischen Arbeiters entzündet wurden. Auf König Ludwig und Hansa waren unter den Verunglückten auch Angehörige der Grubenwehren.
Brand auf der Zeche Kaiserstuhl l, in deren Haupteinziehschacht 3 eine oberhalb der 7. Sohle zum Schutz bei Abteufarbeiten eingebrachte 19 m dicke Faschinenbühne, vermutlich durch Kabelkurzschluß, in Brand geriet. Die in die Grubenbaue ziehenden Brandschwaden gefährdeten die in der Nachtschicht angefahrene Belegschaft von 366 Mann. Infolge Ausfalls des Lüfters am Ausziehschacht, 10 Minuten nach Ausbruch des Brandes, schlug unter der Einwirkung des Brandes die Wetterführung in Schacht l um. Bei der Aufgabe von Wasser in den Brandschacht schlug die Wetterführung wieder um. Die Wassermenge mußte nun so geregelt werden, daß der Schacht ausziehend blieb. In Schacht 1 fiel zudem die für die Bergung der Gefährdeten benutzte Hilfsförderung aus. 6 Grubenwehren mit insgesamt 129 Mann und 89 Bergbau- Gasschutzgeräten wurden eingesetzt. Dazu konnten in kurzer Zeit 42 Einstundengeräte und 42 CO-Filtergeräte von benachbarten Hüttenwerken beschafft werden. Diese Hilfsgeräte wurden den zu bergenden Bergleuten angelegt. Die Gefährdeten mußten nach Ausfall der Hilfsförderung durch vergaste Baue hindurch geborgen werden. Durch die Grubenwehren wurden auf diese Weise 264 Bergleute geborgen. 69 konnten selbst oder mit fremder Hilfe ohne Benutzung von Geräten ausfahren, 35 konnten nur noch tot geborgen werden. Zu Wiederbelebungszwecken waren gleichzeitig 17 Pulmotoren eingesetzt.
Insgesamt wurden 1940 - 1945 258 Einsätze von Grubenwehren verzeichnet. 13 davon entfallen auf Explosionen, 235 auf Bekämpfung von Grubenbränden und 10 auf Vorgehen in matten oder bösen Wettern. In 36 Fällen erfolgte der Einsatz zur Bergung von Menschen, wobei unter Verwendung von Gasschutzgeräten 353 Bergleute gerettet wurden, davon allein 264 beim Schachtbrand der Zeche Kaiserstuhl. Die Höchstzahl der Einsätze zur Brandbekämpfung fällt mit 51 in das Jahr 1941, die niedrigste mit je 33 in die Jahre 1944 und 1945.
Bei diesen Einsätzen ereigneten sich 29 Unfälle und Zwischenfälle, von denen 14 tödlich verliefen. Allein 9 wurden durch Sprechen oder Nebenheratmen neben dem Mundstück verursacht, 4 durch undichten Anschluß der Maske und mehrere durch Wärmestauung beim Vorgehen in feuchtwarmen Wettern. Die Hauptstelle gab deshalb die Empfehlung heraus, bei Temperaturen über 35° C die Einsatzdauer auf eine Stunde zu begrenzen. Zum Teil gehörten die Verunglückten der Grubenwehr erst kurze Zeit an und waren vermutlich nicht genügend ausgebildet.
Im Gebäude der Hauptstelle verblieben nur der Bürobetrieb und die für Einsätze erforderlichen Geräte. Diese Verlagerung führte zur Einstellung der Laboratoriumsarbeiten. Im April 1944 mußten die Ausbildungstätigkeit ganz eingestellt und die Überprüfungen der Einrichtungen für das Grubenrettungswesen eingeschränkt werden. Die häufigen, oft langdauernden Fliegeralarme erschwerten die Anfahrt für die Lehrgangsteilnehmer und störten den Unterricht.
Durch Bomben und Kampfhandlungen waren Verkehrseinrichtungen, Kanäle und vor allem die Bahnanschlüsse der Zechen weitgehend zerstört und auf vielen Zechen die Anlagen mehr oder minder stark beschädigt. Die letzten Kampfhandlungen lahmten das wirtschaftliche Leben vorübergehend fast vollständig. Zeitweilig kam auch der Betrieb auf den Zechen zum Erliegen. Die erforderlichen Arbeitskräfte fehlten. Nur allmählich lebten die Betriebe wieder auf; sie konnten in der ersten Zeit in dem zum Teil stark zerbombten Gebiet nur an die dringlichsten betrieblichen Aufräumungs- und Instandsetzungsarbeiten gehen. Der Wiederaufbau zerstörter Anlagen auf den Zechen zog sich über Jahre hin.
Die Vorsitzenden des Vereins für die bergbaulichen Interessen
von der Einrichtung der Hauptstelle bis Kriegsende
1909 - 1912 Randebrock, Generaldirektor Bergrat a. D.
1912 - 1925 Hugenberg, Geh. Fimamzrat a.D. Reichsminister a.D.
1925 - 1927 Winkhaus, Generaldirektor Bergrat a. D. Dr.-Ing. E. h.
1927 - 1937 Brandi, Bergwerksdirektor Bergassessor a. D. Dr.-Ing. E. h.
1937 - 1945 Buskühl, Generaldirektor Bergassessor a. D.
Quellen:
Huske , Die Steinkohlenzechen im Ruhrrevier. Deutsches Bergbaumuseum 1998
Hauptstelle für das Grubenrettungswesen. Friedrich Krupp Grafische Anstalt, Essen, 1960
Aktuelle externe Links
Deutsche Grubenrettung
Atemschutzzentrum
Bezirksregierung Arnsberg
Dräger - von der Grubenrettung zum Dienstleister - PDF