LS- Stollen Henrichshütte Hattingen


Ende März 2002  setzte sich Frau A. Hubert vom Westfälischen Industriemuseum wegen eines Luftschutzstollens auf der Henrichshütte in Hattingen mit uns in Verbindung. Anfang April sichteten wir die Anlage.
Für alle Historiker, Interessenten,  Freunde des Luftschutz - bzw. Stollenbau, Untergrund -,Bergbau-, Militärbau-, und WLS-freaks, wie auch für thematisch nahestehende Vereine  eine Bauwerk, das man einfach gesehen haben muß.


Es handelt sich hierbei überwiegend um einen Felsstollen der teilweise ausgemauert wurde. Der entstandene Hohlraum zwischen Mauerwerk und Fels wurde, wie zumindest an den Übergangstellen ersichtlich ist, nicht ausgefüllt (bergschlüssig). Die Ausbaustufe des oberen, betonierten- Eingangsbauwerks gilt als bombensichere Bauweise nach den Baubestimmungen von 1941. Die Formgebung, insbesondere die Abkantung der Decke läßt darauf schließen, daß hier in Anlehnung an die Westwallbauten (vergleichsweise), militärischer Einfluß oder Kenntnisse zum tragen kam. Das tieferliegende Eingangsbauwerk (lt. Aussagen nur Notausgang), geht vom Türstockausbau (Holzverbau bergmännisch) direkt in Felsstollen über. Teile des Stollens wurden ausgemauert bzw. einsteinig mit Ziegelsteinen (Hüttenstein) verblendet.

Die beiden äußeren Türen sind aus massiven Stahlplatten von je ca. 3- 4 cm Stärke gefertigt. Es handelt sich hierbei lediglich um Verschlußtüren ohne Gasschutz, die bei einem Naheinschlag dem Explosions - Luftstoß standhalten könnten.  Auffällig ist, daß sich nach dem Vorraum der Schleusenbereich aus einer Vorschleuse und Schleuse zusammensetzt. In der Vorschleuse des oben gelegenen Zuganges befinden sich mehrere Maschinensockel, so daß davon auszugehen ist, daß die elektrisch betriebenen Geräte (Be- und/oder Entlüfter) hier aufgestellt waren. Ein Kurbellüfter (Fa. Auer oder Fa. Dräger mit 1,2 m³ /min) befindet sich hinter der LS- Tür. Die anderen Lüfter wurden abgebaut, so daß einzig durch die verbliebenen, genormten Halterungen die Lüfterstandorte gesichtet werden können. Der Stollen von der unteren Ebene zu dem höher liegenden Eingangsbauwerk liegt mit geschätzten 5 - 10° Steigung, teilweise unebenem Grund und querverlaufenden Wasserauffangrinnen hart an der Gefahrengrenze. Hier regelte mit großer Wahrscheinlichkeit stets ein LS - Ordner oder Luftschutzwart  den Zugang, um Drängeleien zu verhindern.
Der eigentlichen LS Bereich bzw. die Aufenthaltsräume sind vorschriftsmäßig sowohl in der Breite, als auch in der lichten Höhe (min. 1,90 m) gestaltet. Sehr unüblich sind die Räume 4, 7a, 7b und 7 c angelegt.
In allen gängigen und üblichen Stollen - Konstruktionen sind in Stollen angelegte, abgehende Räume stets nach außen geführt. Da es sich hier um einen umlaufenden Stollen handelt, hätte der Raum 4 nicht vom Raum 3, sondern eher von den Räumen 5 oder 6 abgehen müssen. Außergewöhnlich gestaltet ist der bogenförmige Grundriß der Räume 7a -7c. Ein ähnlich aufwendig hergestellter Stollen - Verlauf ist derzeit nicht bekannt. Da kein Versatz erkennbar ist, kann man hier davon ausgehen, daß dieser Teil mit Markscheider- Kenntnissen erstellt wurde.  In den Räumen 7 befinden sich Aufmauerungen für Sitzgelegenheiten (Brettauflagen). An zwei Stellen befinden sich je zwei ehemals verschließbare Blech - Nischen, wovon die in quadratischer Form zur Aufnahme der Sanitätsausrüstung diente - die Funktion der kleineren Nische muß noch eruiert werden. Bohrungen und Holz - Dübel zeigen den Verlauf der E - Installation. Mehrere Kabelhalter weisen auf Art und Funktion der Kabel hin. Die Führung der Lichtleitung erfolgte überwiegend mittig des Stollens. 4 - adrige Kabelreste zeigen Standorte von Elektrisch betriebenen Lüftern. Der Stollen hatte eine Wasserversorgung (Leitung) mit derzeit noch unbekannter/n Wasserentnahmestelle/n (Toilette , Waschbecken, ggf. Löschwasserentnahme).
 
 
An einigen Stellen sind Reste der Luftleitung vorhanden wie auch Schlaglüfter (Rückschlag Überdruckventile).
Der Stollen wurde lt. Luftschutzplan für 250 Personen geplant und gebaut. Aus den offiziellen Unterlagen geht hervor, daß diese Anlage von 500 Personen genutzt wurde. Diesbezügliche Zeitzeugenberichte fallen in Sachen Personenaufnahme sehr unterschiedlich aus.
Erste Bewertung - Vermutung:   Der Bau dieses Stollens erfolgte von mehreren Stellen in verschiedenen Zeitabständen und von verschiedenen Bauleitern / Architekten / Bauaufsichten mit unterschiedlichen Kenntnisständen im LS - Bereich. Im gesamten Verlauf der Anlage sind Sprengvorbereitung und Sprengungen (Schießen) sehr sachkundig ausgeführt (gleichmäßige Profilweite /Höhe und dazu passende Bohrlochtiefe). Ebenso wurde das obere Eingangsbauwerk in vorbildlicher Form, Dimensionierung und fachgerechtem Beton (Sieblinie eingehalten, 300- 400 kg/m³ Zement, keine auffälligen Kiesnester, kein Moosbewuchs) erstellt. Warum mit wesentlich größerem vermessungstechnischem Arbeitsaufwand ein halbrund verlaufender Abschnitt geschaffen wurde, ist derzeit nicht nachvollziehbar, könnte aber auf einen Architekten/Planer mit "Gestaltungsfreiheit" erklärbar sein. Der Vortrieb des Raumes 4, längs des inneren Bereiches, bringt die Vermutung auf, daß hier eine LS - unkundigere Person die Lage des Raum in Auftrag gab bzw. angeordnet hat. Die gesamte Ableitung des anfallenden Wassers erfolgt durch Rinnen am unteren Eingang/ Notausgang. In Alarmfreien Zeiten konnte die Luft in der Anlage durch die gegebene natürliche Bewetterung (Kaminwirkung über 6 m Höhendifferenz wärmere Luft im Stollen und Kaltlufteinfall) komplett ausgetauscht werden. Daß je eine Vorschleuse und Schleuse vorhanden sind, läßt derzeit nur den Schluß zu, daß diese LS - Anlage für besonders zu schützende, betriebswichtige Personen geschaffen wurde. Anzunehmende Chronologie des Vortriebes: Start unteres EG-Bauwerk,  Raum 9 u.11 gleichzeitig, weiter 3 u. 8, 5 u 6,  daß der Aufgang zum oberen Bereich und die Räume 7 parallel vorgetrieben wurden ist ebenfalls anzunehmen, wobei die Räume 7 wahrscheinlich ebenfalls beidseitig angegangen wurden. Geschätzter Personeneinsatz: Raum 10 - Hälfte 9 u. 11 ca. 10 Personen   danach bis Raum 5 u.6 ca. 20 Personen, bei gleichzeitigem Vortrieb Räume 7 und 1 / 2 min. 40 Personen incl. Mauerarbeit Feingestaltung. Arbeitseinsatz oberes Eingangsbauwerk (in einem Stück betoniert) ca. 30 Personen ohne Vorbereitung Schalungsarbeit.

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